Schokolade mit bitterem Geschmack ...

... und doch so süss

Schweizerinnen und Schweizer sind versessen auf Schokolade. Dies bestätigt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von 10,4 Kilogramm im Jahr 2019[1]. Die Anbaumethoden für Kakao als Hauptbestandteil bei der Schokoladeherstellung sind in der breiten Öffentlichkeit allerdings wenig bekannt und weisen zahlreiche Grauzonen auf. So ist Kinderarbeit auf Kakaoplantagen noch immer ein zentrales Problem, das regelmässig in den Medien auftaucht. In der Elfenbeinküste, dem weltweit grössten Kakaoproduzenten[2], hat sich diese düstere Realität während der COVID-19-Krise noch verstärkt: Dort ist der Anteil von Kindern, die auf Kakaoplantagen arbeiten, von 16 auf 19,4 % angestiegen. So hat ein Grossteil der in der Schweiz üblicherweise konsumierten Schokolade - wie zum Beispiel die Lindt Crémant Tafelschokolade - äusserst problematische soziale Auswirkungen in den Erzeugerländern. Im Hinblick auf den Umweltaspekt beeinträchtigen die konventionelle Landwirtschaft, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie Monokulturen, wie sie in der Kakaoproduktion mehrheitlich vorkommen, den gesunden Zustand von Wasser, Böden und Biodiversität. In Ghana, dem zweitgrössten Produzenten weltweit[2], werden heute noch mehrere synthetische Pflanzenschutzmittel von den Behörden umsonst abgegeben. Die Konsequenzen trägt die gesamte Gemeinschaft vor Ort.

Agroforstwirtschaft kommt Produzierenden zu Hilfe

Allerdings gibt es auch andere Produktionsmethoden. Vor allem haben diverse Studien und Projekte auch mit der Unterstützung von Biovision die Vorteile der Agroforstwirtschaft beim Kakaoanbau aufgezeigt. Unlängst wurde in Ghana ein neues Verfahren namens Dynamische Agroforstsysteme auf meh­­reren Landparzellen getestet. Dabei sollen mehrschichtige agroforstwirt­schaft­liche Systeme entwickelt werden, bei denen unter anderem Kakao gemeinsam mit Kochbananen, Cashewbäumen, Maniok oder auch mit Avocadobäumen angebaut wird. Weil der Kakaobaum zum Wachsen Feuchtigkeit und Wärme benötigt, erträgt er in jungen Jahren Trockenheit sehr schlecht. Somit ist die Mortalität bei den Jungpflanzen für viele Produzenten und Produzentinnen ein echtes Problem. Die erwähnte Methode empfiehlt deshalb, Bäume mit verschiedenen Wuchshöhen und Funktionen zu mischen, etwa mit Bananenstauden, die der Kakaopflanze Schutz vor der Sonne bieten und gleichzeitig Kochbananen - ein Grundnahrungsmittel der lokalen Küche - liefern. Dieses System ermöglicht also sowohl eine wirtschaftliche als auch eine biologische Diversität, was den im Kakaoanbau tätigen Familien Ernährungssicherheit und Resilienz garantiert. Zwar ist die Methode nicht besonders innovativ, sie rückt jedoch die traditionellen Praktiken wieder in den Vordergrund, die verdrängt worden waren - unter anderem durch Verfügungen des internationalen Marktes und gewisser Vertreter der ghanaischen Behörden, die eine Umstellung auf intensive Produktion mit vermehrtem Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln verlangten.

Die Realität vor Ort

Während das Projekt in seiner Testphase vielversprechend zu sein scheint, sind gewisse praktische Aspekte schwer umsetzbar, insbesondere der Zugang zu Setzlingen der verschiedenen Pflanzen, aus denen sich dieses Agroforstsystem zusammensetzen sollte. Obwohl kaum vorstellbar aus Sicht der Schweiz, wo alles mit ein paar Clicks erhältlich ist, erweist sich die Beschaffung für die Produzierenden in Wirklichkeit als sehr schwierig - gewiss auch aus finanziellen, vornehmlich aber aus logistischen Gründen, weil die Setzlinge nur in einer bestimmten Region Ghanas gezüchtet werden. Da die Bevölkerung grösstenteils nicht über private Transportmittel verfügt, bleiben diese jungen Pflanzen für die meisten unerreichbar.

Zugänglichkeit als neuralgischer Punkt von Labels und Zertifizierungen

In Ghana sind zahlreiche Ressourcen, aber auch viele Dörfer schwer zugänglich, und folglich sind auch viele Landwirte und -wirtinnen schwierig zu erreichen. Der letztere Punkt ist kritisch, hauptsächlich aufgrund der Bedeutung der Rückverfolgbarkeit für manche Labels des fairen Handels wie etwa Fairtrade (Max Havelaar) oder UTZ. Aktuelle Berichte bringen diese Problematik ans Licht, vor allem bezüglich UTZ, um nur eine Zertifizierung unter weiteren zu nennen: Mangelnde Kontrolle und abgelegene Produktionsorte führen allzu oft zu Plantagen, in denen Kinder arbeiten (diese sozialen Aspekte wirken sich negativ aus auf die Beurteilung der Nachhaltigkeit der Schokolade Frey UTZ im Onlineshop CLEVER). Ohne direktes Ansprechen der Akteure an der Basis der Produktionskette ist es unmöglich, einen sowohl Mensch und wie Umwelt respektierenden Kakao zu garantieren. So fordert beispielsweise Fairtrade Max Havelaar namentlich Kakaoproduzierende dazu auf, auf den Einsatz hochgiftiger Pestizide zu verzichten beziehungsweise beim Einsatz von Pestiziden zwingend Schutzkleidung zu tragen. Während eines Interviews [persönliche Quelle der Autorin] gab ein Verantwortlicher einer Sammelstelle für Fairtrade-Kakao aus verschiedenen abgelegenen Dörfern in der Region Ahafo zu, dass er weder wusste, welche Pflanzenschutzmittel verwendet wurden, noch welche Landwirtinnen und -wirte genau davon Gebrauch machten. Und Schutzkleidung ist für diese ohnehin ein eher utopischer Luxus.

Labels und Zertifizierungen: wichtige Elemente des globalen Marktes

Es geht nicht darum, Fairtrade-Labels zu diskreditieren oder die Leute vom Kauf gelabelter oder zertifizierter Produkte abzuhalten. Ganz im Gegenteil: Labels, Zertifizierungen und Marken sind wichtig, um den Produzierenden insbesondere ein Mindesteinkommen zu garantieren und ihnen damit ein Auffangnetz gegenüber Marktrisiken zu bieten. In Ghana hat es beispielsweise das Fairtrade-Label Max Havelaar möglich gemacht, verschiedene Projekte in den Bereichen Bildung und Gesundheit zu unterstützen und dabei vor allem die Rolle der Frauen hervorzuheben. Natürlich gibt es auch andere Labels oder Zertifizierungen des fairen Handels, die in der Öffentlichkeit etwas weniger bekannt sind, so etwa das Label claro. Das Schweizer Unternehmen wendet die Grundsätze der integrierten Produktionskette an. Diese erlaubt es, sämtliche Stufen vom Anbau bis zum Konsum genau zu verfolgen - manchmal sogar eher als bei einer zertifizierten oder gelabelten Kette. Einer der 5 Einkaufstipps von CLEVER  fordert übrigens dazu auf, das Vorhandensein oder das Fehlen von nachhaltigen Labels und Zertifizierungen auf den Produkten zu prüfen, sie zu verstehen und ihnen beim Einkauf den Vorzug zu geben.

Beim Konsum das Ruder wieder in die Hand nehmen

Noch entscheidender als Labels ist heute das Bewusstsein über den tatsächlichen Wert der Nahrungsmittel, die wir konsumieren. Viele unserer Essgewohnheiten beruhen auf Erzeugnissen, die bei uns gar nicht angebaut werden können und deren Produktion sehr ressourcenintensiv war. Während in der Schweiz der Verzehr von Schokolade längst zur Normalität gehört, bleibt diese für die Produzierenden vor Ort häufig unerschwinglich. Zudem gilt: je länger der Weg vom Boden zum Teller, desto zahlreicher die Zwischenhändler und desto kleiner das Wissen darüber, was wir genau konsumieren. Bei jedem Stückchen Schokolade, das wir geniessen, sollten wir uns bewusst sein, dass es vor allem aus Kakao besteht, den vielleicht Liberty (siehe Foto), Lucy oder Bismark - Hunderte von Kilometern von uns entfernt - angebaut, enthülst und fermentiert haben.

Zur Autorin: eine "stagiaire biovisionnaire" - vom Kakao zum Bier

Mein Name ist Delphine, und ich bin seit März 2020 als Praktikantin in der Westschweizer Geschäftsstelle von Biovision tätig. Meine Arbeit umfasst hauptsächlich Aktivitäten zur Sensibilisierung für einen verantwortlichen Konsum wie beispielsweise CLEVER. Da ich aus einer Familie von Landwirten und -wirtinnen stamme, haben mich Fragen rund um die Produktion und den Konsum von Lebensmitteln stets fasziniert. Sie waren der rote Faden in meinem wissenschaftlichen Werdegang - vom Bachelor in Agronomie der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich bis zur Masterarbeit über die Verdichtung landwirtschaftlich genutzter Böden. In diesem Kontext bekam ich die Chance, in Ghana ein äusserst bereicherndes fünfmonatiges Stage im Bereich Dynamische Agroforstsysteme für Kakao zu absolvieren. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz war ich fest entschlossen, mein akademisches Wissen in die Praxis umzusetzen, und wurde Mitbegründerin einer Mikrobrauerei. Das Konzept dahinter ist ein hundertprozentig lokales Biobier, für das künftig ausschliesslich Rohstoffe von einem Bauernhof im Kanton Waadt verarbeitet werden. Mit den kurzen, kooperativen Vertriebskanälen sind wir nicht weit entfernt von einem biovisionären Bier ...

[1] https://www.chocosuisse.ch/de/services/facts-figures/

[2] https://www.kakaoplattform.ch/de/ueber-kakao/kakao-statistik

 

 

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